Als Freiberufler gesetzlich rentenversichert – sinnvoll oder nicht?

In der Vergangenheit war es für viele Selbständige und Freiberufler gängige Praxis, sich ausschließlich mit privaten Angeboten für das Alter abzusichern. Klassischerweise wurden dabei folgende Produkte gewählt:

  • klassische Kapitallebensversicherung
  • fondsgebundene Kapitallebensversicherung
  • klassische private Rentenversicherung
  • fondsgebundene private Rentenversicherung

Sogar scheinselbständig Arbeitende gingen oft das Risiko ein, entdeckt zu werden und damit für die gesamte Zeit der Scheinselbständigkeit nachzahlen zu müssen, um die Zahlung von Beiträgen an die gesetzliche Rentenversicherung (GRV) zu vermeiden. Insbesondere IT-Freelancer wurden diesbezüglich in der Vergangenheit von der GRV verstärkt unter die Lupe genommen. Mittlerweile ist hier eine Trendumkehr zu beobachten: Immer mehr Selbständige und Freiberufler versichern sich freiwillig in der gesetzlichen Rentenversicherung. Das hat nicht nur mit deren Leistungen zu tun, sondern auch mit dem mageren Zinsniveau, welches direkten Einfluß auf die Verzinsung privater Rentenverträge hat.

Wir wollen in diesem Beitrag die Möglichkeiten der gesetzlichen Absicherung im Alter für Selbständige und Freiberufler beleuchten.

Muss ich mich eventuell sowieso verpflichtend gesetzlich rentenversichern?

Bei einer Reihe von Freiberuflern stellt sich die Frage gar nicht, ob die Altersvorsorge komplett über private Anbieter abgesichert werden kann.

Die folgenden Berufsgruppen, zu denen auch freie Berufe zählen, sind laut Gesetzgeber schutzbedürftig und damit rentenversicherungspflichtig:

  • Lehrer und Erzieher, wenn sie keine versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen
  • Pflegepersonen ohne versicherungspflichtige Arbeitnehmer
  • Weisungsabhängige Physiotherapeuten
  • Hebammen und Entbindungspfleger
  • Seelotsen, Küstenschiffer und Küstenfischer
  • Hausgewerbetreibende
  • Bestimmte Handwerker
  • Selbständige, die keine versicherungspflichtig Beschäftigten haben und hauptsächlich nur für einen Auftraggeber tätig sind

Zum letzten Aufzählungspunkt gibt es folgende Faustregel: Wenn mindestens 5/6 des gesamten Umsatzes mit der Tätigkeit für einen einzelnen Auftraggeber erwirtschaftet wird, greift die gesetzliche Rentenversicherungspflicht (siehe hierzu genauer §2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI).

Eine Reihe von Berufen haben außerdem ein eigenes Alterssicherungssystem. Hier sind statt der gesetzlichen Rentenversicherung berufsständische Versorgungswerke zuständig. Man bezeichnet diese Berufe auch als kammerpflichtige freie Berufe und die hier Tägigen als verkammerte Freiberufler. Dazu zählen:

  • Ärzte und Apotheker
  • Notare und Anwälte
  • Steuerberater und Wirtschaftsprüfer
  • Architekten und beratende Ingenieure

Schließlich gibt es noch die Künstler und Publizisten, die einen Sonderfall innerhalb der Freiberufler darstellen. Sie müssen sich bei der Künstlersozialkasse anmelden, die die Beiträge ihrer Mitglieder zur gesetzlichen Rentenversicherung, Pflegeversicherung und Krankenkasse bezuschusst. Ähnlich wie klassische Arbeitnehmer zahlen Mitglieder der Künstlersozialkasse nur die Hälfte des Beitrags. Die andere Hälfte wird vom Bund und von Unternehmen, die die künstlerischen und publizistischen Erzeugnisse verwerten, getragen (Verlage, Rundfunkanstalten, Galerien etc).

Alle Freiberufler, die nicht in die bereits genannten Berufsgruppen fallen, sind nicht versicherungspflichtig. Sie haben die Wahl, ob sie trotzdem freiwillig in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen, sich auf privatem Weg absichern oder eine Kombination aus beiden Möglichkeiten wählen.

Wenn ich selbst entscheiden kann, welche Absicherung ich möchte

Es gibt einige Fragen, anhand derer man beurteilen kann, ob es generell von Vorteil ist, Beiträge in die GRV einzuzahlen, obwohl man dazu nicht verpflichtet ist:

  • War man bereits vor der Selbständigkeit (bspw. als pflichtversicherter Angestellter, Arbeitsloser oder während der Ausbildung) gesetzlich rentenversichert und wenn ja wie lange?
  • Wie alt ist man beim Wechsel in die Selbständigkeit?
  • Weist die rentenrechtliche Zeit Lücken auf?

Viele Selbständige waren vorher Angestellte und damit pflichtversichert. Wenn sie mindestens fünf Jahre lang Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt haben, entsteht ein Rentenanspruch.

Welche Leistungen bietet mir die gesetzliche Rentenversicherung?

  1. Altersrente:
    Selbstverständlich erhalten gesetzlich rentenversicherte im Alter ihre monatlichen Rentenzahlungen
  2. Erwerbsminderungsrente:
    Wenn der gesetzlich versicherte Freelancer aus gesundheitlichen Gründen nur noch eingeschränkt oder überhaupt nicht mehr arbeiten kann, erhält er die sogenannte Erwerbsminderungsrente (siehe auch die vor 2001 bestehende Erwerbsunfähigkeitsrente). Zu dieser Rente können weitere Leistungen hinzukommen wie zum Beispiel Maßnahmen zur Anpassung des Arbeitsplatzes sowie Umschulungen und Weiterbildungen.
  3. Hinterbliebenen- oder Waisenrente:
    Das sind Leistungen, die im Todesfall des Versicherten an die Angehörigen gezahlt werden.
  4. Rehabilitationsleistungen:
    Wenn die Versicherungszeit in der GRV 15 Jahre überschreitet erhält der Versicherte bei längerer Krankheit Reha-Leistungen

Selbständige und Freiberufler schließen in der Regel eine private Berufsunfähigkeitsversicherung ab. Bestehen aber Vorerkrankungen oder ist man bei Abschluß schon älter gestaltet sich dies schwierig oder sehr teuer. Über die oben unter Punkt 2 beschriebene Erwerbsminderungsrente kann sich der Freelancer zumindest teilweise für den Fall der Erwerbsunfähigkeit über die GRV absichern. Hier erfolgt nämlich keine Gesundheitsprüfung.

Wie hoch sind die Beiträge wenn ich mich gesetzlich versichere?

Bundesweit beträgt der monatliche Beitrag zur GRV ab 1.1.2018 18,6% des Einkommens, allerdings nur bis zum maximalen Höchstbeitrag, der sich nach der Beitragsbemessungsgrenze richtet:

  • Beitragsbemessungsgrenze alte Bundesländer: 78.000 € jährlich bzw. 6.500 € monatlich
  • Beitragsbemessungsgrenze neue Bundesländer: 69.600 € jährlich bzw. 5.800 € monatlich

Damit liegt der Höchstbeitrag nach den oben angegebenen Beitragsbemessungsgrenzen für die alten Bundesländer bei 1.209 € und für die neuen Bundesländer bei 1.078,80 €.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales legt jedes Jahr einen pauschalen Regelbeitrag fest, der für alle gesetzlich versicherten Selbständigen zu zahlen ist. Dabei werden ab 1.1.2018 folgende Bezugsgrößen gesetzt:

  • West 3.045 € monatlich, entspricht einem monatlichen Beitrag in Höhe von 566,37 €
  • Ost 2.695 € monatlich, entspricht einem monatlichen Beitrag in Höhe von 501,27 €

Es gibt auch die Möglichkeit, weniger als den Regelbeitrag, nämlich den sogenannten einkommensgerechten Beitrag zu zahlen. Das ist über einen Nachweis des Arbeitseinkommens anhand des letzten Einkommensteuerbescheides möglich.

Einsteiger in die Selbständigkeit können außerdem in den ersten drei Jahren auf Wunsch auch den halben Regelbeitrag zahlen, also 283,19 € in den alten und 250,64 € in den neuen Bundesländern.

Grundsätzlich gilt aber: Wenn Sie die Möglichkeit geringerer Einzahlungen nutzen, erhalten Sie auch weniger Rente im Alter.

Gibt es günstige Möglichkeiten, die Leistungen der GRV aufzustocken?

Generell empfiehlt sich bei Verbleib in der gesetzlichen Rentenversicherung eine zusätzliche Absicherung in Form einer Rürup-Rente (auch Basis-Rente genannt) und/oder einer privaten Rentenversicherung. Auch eine Riester-Rente ist möglich weil der Verbleib in der GRV den direkten Anspruch auf diese und die staatlichen Förderungen sichert.

Man muss sich aber entscheiden: Bei der Riester-Rente erhält man staatliche Zuschüsse in Form von Grundzulage und eventuell Kinderzulage. Die Rürup-Rente bietet steuerliche Vorteile. Beide Vorteile zusammen sind nicht nutzbar weswegen es sich empfiehlt entweder eine Riester- oder eine Rürup-Rente abzuschließen.

Beides zusammen lohnt sich nur für den sehr seltenen Fall des häufigen Wechsels zwischen Angestelltenverhältnis und Selbständigkeit. Denn dann müssen die Verträge nicht jedesmal aufgelöst werden, sondern Sie können sie weiter besparen.

GRV für Freelancer
GRV für Freelancer

Fazit

In Zeiten niedriger Zinsen auf private Anlageprodukte für das Alter wie die eingangs genannten Versicherungen, kann für Selbständige der Verbleib in der GRV eine sinnvolle Alternative sein, zumal die dort gebotenen Leistungen sehr krisensicher sind. Entscheidet sich der Freiberufler dafür, ist grundsätzlich immer eine Ergänzung mit privaten Leistungen sinnvoll. Das können die gesetzlich geförderten oben beschriebenen Riester- oder Rürup-Renten, aber auch andere Kapitalanlageprodukte sein. Eine Beratung für den jeweiligen Einzelfall ist immer anzuraten.

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